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Kaum eine Geschichte hatte eine vergleichbare Wirkung auf mich wie Call me by your Name. Vor einigen Wochen habe ich den Film das erste Mal gesehen, noch am selben Abend das Buch von André Aciman bestellt und innerhalb weniger Tage verschlungen. Von der ersten Sekunde an war ich von der Geschichte gefesselt.
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, für wen ich diesen Blogpost schreibe. Für Leute, die Film und Buch noch nicht kennen und die ich davon überzeugen möchte, ihn zu schauen/es zu lesen? Oder für Leute, die die Geschichte genauso sehr lieben wie ich? Vielleicht ein bisschen von beidem. Vor allem schreibe ich diesen Text aber für mich. Ich möchte irgendwo die Faszination mit Call me by your Name, meine Gedanken und Gefühle festhalten – und wozu sonst hat man einen eigenen Blog?
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Eine Geschichte, die dir das Herz brechen wird
Sommer 1983 – irgendwo in Norditalien. Der 17-jährige Elio (Timothée Chalamet) verbringt die Sommerferien zusammen mit seinen Eltern auf dem traumhaften Sommeranwesen der Familie. Wie jedes Jahr lädt Elios Vater, Professor für Archäologie, einen Studenten dazu ein den Sommer mit der Familie zu verbringen. In diesem Jahr ist es der Amerikaner Oliver (Armie Hammer).
Mehr zur Handlung und zum Film hier:
Wer jemals verliebt war, eine starke emotionale und tiefgehende Verbindung zu einer anderen Person gespürt hat oder wem schon mal das Herz gebrochen wurde, der wird Call me by your Name besonders finden, mitfiebern und vor allem mitfühlen.
Elio ist ein 17-Jähriger, auf der Schwelle zum Erwachsenenalter. Dann tritt jemand besonderes für eine kurze Zeit in sein Leben und bringt seine Gedanken und Gefühle durcheinander, verändert sein Leben.
Die ganze Zeit über wissen wir, es ist eine Sommerromanze, Liebe auf beschränkte Zeit. Ist der Sommer vorbei, muss Oliver gehen und im nächsten Jahr wird ein neuer Student seinen Platz als Assistenten einnehmen. Eigentlich ist von Beginn an klar: es wird kein Happy End geben – warum also erwartet man trotzdem eins? Die Geschichte ist auf so vielen Ebenen frustrierend und gleichzeitig faszinierend. Über der traumhaften Erzählung schwebt zu jeder Zeit das Gefühl von Melancholie. Während ich das Buch gelesen habe, musste ich es tatsächlich immer wieder beiseite legen und das Gelesene auf mich wirken lassen. Vor allem das Ende des Buchs ist unglaublich intensiv und ich konnte kaum eine Seite am Stück lesen ohne ein paar Tränchen zu verdrücken.
Der Titel “Call me by your Name”
Im Buch wird der Titel der Geschichte noch klarer als im Film. Oliver sagt zu Elio: “Call me by your name and I call you by mine.” Es drückt eine unglaublich tiefe Verbundenheit aus. Man erkennt den Namen einer anderen Person als seinen an und nennt den anderen wiederum beim eigenen. Man liebt diese Person so tiefgehend, so leidenschaftlich und energisch, dass man zur gleichen Person wird. Elio ist Oliver, Oliver ist Elio. Ihre Seelen sind so grundlegend miteinander verflochten, dass es sich in gewisser Weise schon fast physisch anfühlt.
Did I want to be like him? Did I want to be him? Or did I just want to have him? Or are “being” and “having” thoroughly inaccurate verbs in the twisted skein of desire, where having someone’s body to touch and being that someone we’re longing to touch are one and the same […]? – Elio
Poesie und Philosophie
Sowohl Film als auch Buch strotzen vor Poesie und Schönheit. Vor allem im Buch muss man sich auf den sehr intimen, sehr philosophischen Schreibstil Acimans einlassen, wird dann aber mit wunderschönen Passagen belohnt.
Durch die Geschichte zieht sich beispielsweise das Motiv von Heraklit. Es wird ein paar Mal erwähnt. Laut Heraklit ist es nicht möglich zweimal in denselben Fluss zu steigen. So wie das Wasser im Bach immer in Bewegung ist, so sind alle Dinge, Lebewesen und Erscheinungen in der Welt immer in Veränderung begriffen. Nichts bleibt, wie es ist. Es wird immer etwas anders sein. Und so wird auch Elio und Olivers Beziehung nach dem Sommer nie wieder dieselbe sein.
André Acimans Schreibstil geht tief. Das Buch zeigt Elios inneren Monolog. Am liebsten hätte ich einen Stift genommen und meine Lieblingsstellen markiert. Hier ein paar Beispiele:
Everyone goes through a period of traviamento – when we take, say, a different turn in life, the other via. Dante himself did. Some recover, some pretend to recover, some never come back, some chicken out before even starting, and some, for fear of taking any turns, find themselves leading the wrong life all life long. – Samuel Perlman (Elios Vater)
What I didn’t realize was that wanting to test desire is nothing more than a ruse to get what we want without admitting that we want it. – Elio
I looked at the faces of the other applicants. This one wasn’t so bad. I began to wonder what turn my life would have taken had someone else shown up instead. I wouldn’t have gone to Rome. But I might have gone elsewhere. Wouldn’t have known the first thing about San Clemente. But I might have discovered something else which I’d missed out on and might never know about. Wouldn’t have changed, would never be who I am today, would have become someone else. – Elio
Kunst, Philosophie und Musik ziehen sich gleichermaßen durch Buch und Film. Elios Eltern sind gebildete Menschen und haben dieses Interesse auch an Elio weitergegeben. Es wird viel gelesen, musiziert und über Kunst und Philosophie gesprochen.
Die Sexualität steht nicht im Mittelpunkt
Anders als in vielen anderen LGBTQ+ Filmen gibt hier keinen Antagonisten, kein schwieriges Outing und keine Diskriminierung auf Grund der Sexualität. (Auch solche Filme haben natürlich ihre Daseinsberechtigung.) Es ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die den Fokus auf Elios Innenleben und das Erwachen seiner Sexualität richtet, ohne die Frage nach seiner sexuellen Orientierung zu diskutieren oder gar zu problematisieren.
Es um Verlangen, Leidenschaft, die erste Liebe und die damit einhergehende Nervosität – nur dass es in Call me by your Name eben zwischen zwei Männern stattfindet. Die beiden zeigen ihre Beziehung zwar nicht offen, Elios Eltern erkennen Elios Faszination mit Oliver aber dennoch sehr früh, ermutigen und unterstützen ihn sogar darin.
Der Soundtrack
Diese Entwicklung aus der unbeschwerten Kindheit heraus in einen noch nicht ganz entwickelten Abschnitt des jungen Erwachsenenalters beinhaltet Romantik, Identitätssuche und das Entdecken der eigenen Sexualität. Die Musik des Films unterstützt die atmosphärische Erzählung auf seine eigene lebendige Weise.
Der Soundtrack kann in drei grundlegende Teile unterteilt werden: Die klassischen (Klavier-)Stücke, die größten Pop-Hits des italienischen Sommers in 1983 und die eigens für den Film komponierten Stücke von Sufjan Stevens.
Die klassische Musik passt nicht nur wegen Elios Charakter perfekt, sondern unterstreicht zudem die elegante, detaillierte Vision des Films. Am eindrucksvollsten und einprägsamsten sind jedoch zweifellos die drei Stücke von Sufjan Stevens: Futile Devices, Mystery of Love und Vision of Gideon. Sie prägen die Atmosphäre der ganzen Geschichte und sind unglaublich kraftvoll: Traurig, verletzlich, unglaublich schön, trotzdem unaufdringlich. Achtet man auf die Worte, wird klar, wie gut sie zu den jeweiligen Szenen passen. Dort wird nicht gesprochen. Die Musik übernimmt das Reden und nimmt damit schon fast den Platz eines Erzählers ein.
Vor allem Vision of Gideon macht mich immer noch unglaublich emotional. Elio hat eine bedeutsame Erfahrung hinter sich: nicht nur die Entdeckung der eigenen Sexualität sondern auch seine erste Liebe – nur damit diese in Trümmern endet. Was bleibt sind Erinnerungen, die er in diesem Moment so klar vor Augen hat, als würde ein Video abspielen. Und doch fühlen sie sich irgendwie nicht real an, wie ein Film, den man vor kurzem gesehen hat. Nur die Visionen dessen, was hätte sein können. I have loved you for the last time. Is it a video?
Timothée Chalamet
Durch Call me by your Name und die Rolle des Elios habe ich eine kleine Obsession mit Timothée Chalamet entwickelt. Abgesehen davon, dass ich sein Schauspiel in Call me by your Name überragend fand, mag ich wofür er steht. Er ist eben nicht der muskulöse, dominante, taffe Typ, sondern ist sensibel, emotional, mag Kunst und Kultur. Und auch abseits seiner Rolle als Elio ist Timothée Chalamet sich nicht zu schade, sich dem herrschendem Männerbild in Hollywood entgegenzustellen. Auf den roten Teppichen trägt er verspielte High Fashion mit Spitze, Pailletten und Farben – und sieht dabei unverschämt gut dabei aus.
Starke Szenen, die im Gedächtnis bleiben
Last but not least möchte ich über einige der Szenen des Films sprechen, ohne zu viel zu spoilern. Dem Zuschauer wird bei diesem Film nicht alles auf einem silbernen Tablet serviert. Er steht selbst in der Verantwortung zwischen den Zeilen zu lesen. Vieles wird nur angedeutet oder überhaupt nicht ausgesprochen. Trotzdem fehlt es den Szenen an nichts. Im Gegenteil: Manche werden umso stärker, da nur mit Mimik, Gestik, Musik und Kameraeinstellungen gearbeitet wird.
Der Monolog von Elios Vater, als Elio Oliver seine Gefühle “gesteht”, deren erster Kuss, die Abschiedsszene und nicht zuletzt der Abspann, um nur ein paar zu nennen, sind Szenen, die mich unglaublich berührt und so viel in mir ausgelöst haben, ohne mit den klassischen Hollywood-Tricks zu arbeiten. Die letzte Einstellung des Films, worüber der Abspann läuft, ist so intensiv, dass man von Gefühlen überflutet wird. Noch Tage später hat mich das Gefühl nicht losgelassen. Ein Gefühl von Herzschmerz und Melancholie.
Mit langen Pausen, wenig Schnitten, wenigen Wechsel in Kameraeinstellungen, unglaublichen Landschaftsbildern und einer traumhaften Farbgebungen transportiert Regisseur Luca Guadagnino die Stimmung des heißen Sommers, nimmt dich mit nach Italien und auf das Sommeranwesen der Familie Perlman.
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Das hört sich wirklich so unfassbar toll an! Das Buch werde ich mir auch kaufen, danke dir für die Vorstellung.
Liebste Grüße und einen tollen Sonntag
Juli
https://julispiration.com/
Autor
Hoffentlich gefällt dir das Buch! Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen. 😊
Hallo,
Vielen Dank für den tollen Eintrag- mir ging es sowohl beim Schauen des Films als auch Lesen des Buches genauso.
Mittlerweile hat André Aciman eine Fortsetzung von „Call me your Name“ geschrieben. Es heißt „Find Me“ ist sowohl eine Fortsetzung der Geschichte von Elio als auch Elio und Oliver. Es gibt auch einen Teil, in dem ein anderer Charakter seine Geschichte erzählt.
Auch hier schreibt Aciman wunderschön und sehr emotional und mit sehr starken Bildern und Eindrücken. Ich persönlich hatte beim ersten Mal Lesen Probleme mit diesem Buch, aber nachdem ich das Hörbuch dazu gehört habe, gelesen vom Schauspieler, der den Vater gespielt hat, war es genauso wundervoll wie CMBYN. Absolut empfehlenswert!!!